Meine bisher wichtigsten Eingewöhnungs-Erfahrungen
Als neue*r Tagesmutter*vater starten heißt es für mich, die wichtigen Erfahrung so zu machen, dass ich daraus lerne. Und es vergeht tatsächlich kein Tag, an dessen Ende ich nichts wesentlich Neues hinzugelernt hätte. Sei es über die Wohnung, dem Grundsetting und Kernausrichtung, fehlende Elternbindung, sowie sehr starke Bindung handlen, aber auch Alters-, Mentalitäts-, Aktivitäts- und Kommunikationsunterschiede ausgleichen. Dabei permanente Energiezufuhr (Essen), abwechslungsreiches Lern*Erfahrungsprogramm organisieren.
Meine ersten Learnings als männliche Tagesmutter
- Die eigenen Grenzen kennen, definieren, ggf. errichten und Leben!
- Wann ist das Vertrauen des Kindes stark genug für eine Trennung?
- Wie überbrücke ich als Betreuer notwendige Kinderkommunikation?
- Warum Kinder in Autonomie führen, auch ein Schritt zurück sein darf!
Die eigenen Grenzen kennen, definieren, ggf. errichten und Leben!
Mein erstes Tageskind mit gering ausgebildeter Impulskontrolle war für mich eine völlige Überforderung. Ich war, weder für so einen Fall Tageskind ausgebildet, noch war die daraus erwachsende Situation geeignet, darauf eine Gruppe aufzubauen. Die Eltern des Zweitplatzes sagten daher ab. Doch der „Gutmensch“ in mir wollte es schaffen. So kam es, dass ich dadurch meine inneren somatischen Grenzen erfahren durfte, die mich aus Selbstfürsorge zu meiner ersten größeren Grenzziehung motivierte. Das erste Kind war meiner erste ganz große Challenge, die mich mit meinen inneren und äußeren Grenzen als männliche Tagesmutter konfrontierten.
Aber auch bei Reservierungsvereinbarungen, sonstigen Grenzen der Bürokratie, Verbindlichkeit von Anfragen, persönlichem Kennenlernen in der Betreuungseinrichtung „Die Döblinge“, Vereinbarungen über die Stunden, Verdienstausfällen bei Zugeständnissen, was ein befristeter Anstellungsvertrag bedeutet, erstmaliger Kalkulation einer finanziell unmöglichen Selbstständigkeit, ging es in den Grundzügen um Erfahrungen der Grenzen innerhalb des Berufsbildes Tagesmutter*vater in Wien. Lessons learned würde ich sagen!
Wann ist das Vertrauen des Kindes in ein*n Betreuer*in stark genug für eine Trennung?
oder: bindungsorientierte Eingewöhnung
Sehr spannend, wie unterschiedlich das ablaufen kann. Im Fall des Erstkindes (schwach gebunden), war es möglich und wichtig den Obsorgeberechtigten schnellstmöglich „loszuwerden“, weil das Kind in seiner Anwesenheit besonders stark aufdrehte. Und das ging perplex leicht am ersten Tag. Fazit Eins: „Kind war unsicher gebunden.“ Fazit Zwei: Kind bräuchte eigentlich zuerst eine Bindung zum*zur Obsorgeberechtigten, nicht von Tageseltern.
Mitte Juni dann mein Gruppenneuanfang mit zunächst einem Mädchen.
Nach ca. 3 Wochen, wussten Mutter und ich gleichzeitig, dass der Vertrauens-Punkt eine wichtige Bindung erreicht war. Das Kind zeigte uns das in einer „Stresssituation“ als sie (1,5) trotz Armes-Reichweite nicht zur Mutter ging, sondern bei mir blieb und in meinen offenen Armen Trost suchte. Fazit Eins: „Kind ist sehr sicher gebunden.“ Fazit Zwei: Wir sind soweit, die nächsten Schritte auf unserem bindungsorientierten Pfad zu gehen.
Übersetzung von Kommunikations-Hürden zwischen den Kindern
Als diese „Vertrauensübergabe“ erst einmal geschehen war, also ich allein mit den Kindern sein konnte, begann sich eine schnell sichtbare Kinderdynamik zu entwickeln, die entstehen können, wenn völlig unterschiedliche Impulsqualitäten aufeinander treffen. Kind Eins zart und gut auf verbales JA-Antworten-Feedback eingespielt. Kind Zwei hat im JETZT einen durchaus sehr sozialen Gemeinschaftsimpuls, setzt ihn auch schnellstmöglich um. Das Übersetzen zwischen Mentalitäten, Aktivitäten, körperlichen Fähigkeiten darf starten.
Der guten „alten“ Montessori Toolkiste sei Dank, schaffe ich Räume dafür, dass die Kinder ihre tatsächlichen „Kommunikationsgrenzen“ wahrnehmen, respektieren und Lösungen dafür zu finden. Ein wundervoller Prozess des gemeinsamen (zusammen-) Wachsens.
Kindliche Autonomie in Helikopter Zeiten
Schritt zurück, um vorgehen zu können
Hand auf’s Herz, welche Eltern tun’s nicht, dem eigenen Kleinkind beim Treppensteigen mit der Hand behilflich zu sein. Ein natürlicher Reflex, oder? Wir ermöglichen Ihnen damit Dinge, die sie eigentlich und eigenständig noch nicht ausführen können. Auch eine Rutsche zu erklimmen, wenn es eigenständig noch nicht geht, produziert das Gegenteil von Autonomie. Es lehrt die Kinder, dass sie das, was sie noch nicht können, von anderen bekommen. Dabei überspringen sie z. Bsp. ganz sicher eine Phase in der sie eigenständig Treppen raufkrabbeln und auch runterkrabbeln können.
Bei bis zu 5 beaufsichtigungspflichtigen Kindern ist es notwendig, dass Kinder diese Autonomie z. Bsp. im Treppensteigen bekommen, da ich nur zwei Arme habe. Training von eigenständigem „Treppensteigen“, bei dem ich jeden Handgriff & Fusstritt ansage, wird ganz kurz als Rückschritt wahrgenommen und dann doch ganz schnell angenommen.
Abschließend möchte ich sagen, dass ich sehr Dankbar für all diese Erfahrungen, vertrauensvollen Müttern, offenen Kindern, Austausch und Reflexion und wundervollen Feedbacks bin. Ohne diese intensive Elternarbeit kann ich mir Eingewöhnung gar nicht vorstellen.
Ich werde weiter berichten.