02 Feb

Indien to Go: Gelassenheit und Spiritualität in Business und Alltag (@DerLarsHahn)

7 Indienerfahrungen vom Entdecker des Systematisch Kaffeetrinkens unseren Alltag

Lars Hahn - der Entdecker des Systematisch Kaffeetrinkes

Vor 855 Tagen hatten @DerLarsHahn unsere erste virtuelle Begegnung. Wie auch in der Natur konnten Lars und ich nicht wissen, welche Lebensform aus dem Samen unserer Neugier entstehen könnte. Sicher ist. Sie wächst, gedeiht und ist von vielen spannenden ‚Zufällen“ geprägt. So auch die Tatsache, dass Lars Orte meiner Kindheit in Indien kennt.

7 persönliche Instanttipps vom „Kaffeeblogger“

  1. Was ist wirklich und wesentlich für Dich?
  2. Warum Flow durch Gelassenheit entsteht?
  3. Wie Neugier die Türen öffnet.
  4. Warum fremde Götter Freundschaft fördern?
  5. Besser dass was klappt, als was klappt
  6. Nimm was kommt und mach was daraus
  7. Beachte alle Richtungen bevor Du gehst

Ich war also im Land von Gandhi.

Gewissermaßen durch die sich bedingenden Umstände verbrachte ich den Jahreswechsel bereits zum zweiten Mal in der Gegend um Ahmedabad, wo der NetworkfINDER Michael Rajiv Shah seine familiären Wurzeln hat.

Den Beruf von Mohandas Karamchand Gandhi, besser bekannt als Mahatma Gandhi, zu beschreiben, fällt schwer: Rechtsanwalt, Freiheitskämpfer, Revolutionär, Politiker, Publizist, Morallehrer, Asket, Pazifist. Von allem etwas, aber keiner der Begriffe wird ihm gerecht. Mahatma bedeutet „Große Seele“, vielleicht wird dieser Ehrentitel seinem Wirken und seiner Bedeutung noch am ehesten gerecht.

Indien besteht seit 1947 und ist mit dem Freiheitskampf Gandhis und dessen Namen unzertrennlich verbunden.

Wussten Sie, dass die verschiedenen Scheine der indischen Rupie nur ein Gesicht zieren? Das von Mahatma Gandhi. Auf den und eben nur auf diesen konnte sich die große Mehrheit der über 1,2 Milliarden Inder wirklich einigen.

Mahatma Gandhi hat Indien wie kein anderer geprägt. Neben seinen Prinzipien von Gewaltlosigkeit, Wahrheit, Keuschheit und Besitzlosigkeit ziehen sich zwei Werte spürbar durch den indischen Alltag:

  • der Stolz der meisten Inder, Teil einer großen Nation zu sein, die per Definition multiethnisch und multireligiös ist
  • die damit verbundene grundsätzliche Toleranz und Anerkennung von Anderssein; das Verneigen vor der Religion des Anderen; das miteinander Auskommen trotz großer Gegensätze. „Indien hält das aus.“

Weil der MiSha mich nach seinem Gastartikel bei Systematisch Kaffeetrinken herausgefordert hat, hier über meinen Indien-Besuch und die Erfahrungen dort zu schreiben, habe ich mich schon dort mit der Frage rumgetrieben: „Was kann ich, was können wir Europäer von Indern lernen?“.

Indien – das Land der Widersprüche

Um es gleich direkt zu klären: Indien ist ein höchst widersprüchliches Land: Hoch spannend, bisweilen kaum zu ertragen, dann wieder höchst betörend. Was ich unter anderem dort erlebte und was ich dort hörte, war folgendes:

  • Die zehn reichsten Inder verfügen über ein Vermögen von über 110 Milliarden Dollar. Die Zahl der Dollar-Millionäre in Indien wird sich zwischen 2012 und 2017 vervierfachen.
  • 300.000.000 Menschen leben jenseits der (indischen!) Armutsgrenze. Das bedeutet täglicher Überlebenskampf, Hunger und elementare Armut jenseits europäischer Maßstäbe.
  • Bereits Gandhi hatte das Kastenwesen für überholt erklärt und dennoch wird nach Zugehörigkeit der Kaste über Ehe, Arbeit und Freundeskreis entschieden.
  • Frauen sind in der indischen Verfassung gleichgestellt, mit Indira Gandhi hatte Indien die erste Regierungschefin der Demokratien der Welt. Gleichzeitig werden Frauen traditionell benachteiligt. Mädchen gehen seltener zur Schule. Frauen sind für die Familienarbeit vorgesehen und werden oft klassisch unter Mitgiftzahlungen verheiratet.
  • Turbokapitalistische Boomtowns wie Mumbai und Bengalore wachsen jährlich mit zweistelligen Raten. Und doch: Sozialistische Erbschaften in Verwaltung und öffentlichem Leben sind allgegenwärtig.
  • Weihnachten ist ein offizieller Feiertag in Indien. Es leben hier mehr Christen als in ganz Skandinavien. Dennoch sind es nur 2,3 Prozent der Bevölkerung.
  • Hindus bilden mit achtzig Prozent der Bevölkerung die religiöse Mehrheit und doch finden sich in vielen Ämtern und wirtschaftlichen Posten Muslime, Christen, Sikhs.
  • Indien hat die drittgrößte muslimische Gemeinschaft der Welt. In Ahmedabad kamen jedoch 2002 in der Folge von religiösen Zusammenstößen zwischen Hindus und Moslems mehr als 2.000 Menschen zu Tode.
  • Indien ist die größte Demokratie der Welt, aber dennoch bestehen schwerwiegende Einschränkungen der Pressefreiheit in manchen Regionen.
  • Eine 10-Kilometerfahrt mit sieben Personen per Rikscha, dem traditionellen Verkehrsmittel kostet halb so viel wie eine Cola im Mc Donalds von Ahmedabad.
  • Indien hat 23 anerkannte Sprachen, die zumindest regional auch Amtsprache sind. Hindi, die bekannteste wird von der Mehrheit der Inder nicht gesprochen. Englisch ist Amtssprache, aber in der breiten Bevölkerung nicht üblich.

Indien hat keine gemeinsame Sprache, keine gemeinsame Religion, ja nicht mal eine einheitliche Geschichte. Und doch: Alle Inder, die ich sprach, begreifen sich als zu Indien zugehörig. Dabei ist es ganz gleich, ob sie zu Shiva, Krishna, Allah, Ganesha, den Tirthankaras, Christus oder Lakshmi beten. Arm oder reich. Landmensch oder Stadtmensch. Sie alle fühlen sich als Inder.

Im Fluss sein – Geduld und Gelassenheit zeigen – „No problem, Sir.“

Gerade hatte unser Taxifahrer beim Rangieren einen nagelneuen schicken Suzuki gerammt und wir westlichen Beifahrer malten uns schon Szenarien mit Polizei, Diskussionen und Wartezeiten mitten in den nächtlichen Straßen von Ahmedabad aus. Was folgte, ist typisch für meine Erlebnisse in Indien: Einige Gespräche, es mischten sich diverse Leute ein, es wurde (ruhig!) diskutiert. Der westliche Beobachter kann diesen Gesprächen kaum folgen, weil oberflächlich gesehen kein roter Faden zu erkennen ist. Auf einmal löst sich das Menschenknäuel. Der „geschädigte“ Fahrer fährt einfach von dannen. Unser Driver dankt Shiva auf dem Armaturenbrett. Und weiter geht’s im Leben.

Gelassenheit gehört zu einer der von mir bewunderten Tugenden von Indern. Eigentlich ist es mehr ein „im Fluss sein“.

  • Wenn sich Menschen knubbeln, weil einfach viele da sind, dann knubbelt man mit (von wegen Schlange stehen: Inder knubbeln viel lieber, glaub ich).
  • Wenn einer völlig fremd ist, fragt man ungeniert nach und forscht neugierig, auch wenn man gar keine gemeinsame Sprache findet (was in Indien häufig geschieht).
  • Wenn einer völlig fremd handelt, sollte er sich schnellstens „in den Fluss“ fügen, sonst könnte er auch unter die Räder kommen (buchstäblich im sehr speziellen indischen Straßenverkehr).
  • Wenn Du mutig über die Straße läufst, schaue zuerst RECHTS! Es herrscht Linksverkehr! Schaue danach links, es könnte immer auch einer auf der falschen Seite kommen. Und danach geh einfach! Du wirst heile rüberkommen!
  • Wenn etwas nicht auf Anhieb klappt, dann wartet man auf den nächsten Versuch.
  • Wenn es etwas grad nicht gibt, nimmt man etwas anderes, was vorhanden ist.
  • Wenn jemand etwas will, was man nicht versteht, dann nimmt man gemeinsam das Tempo raus und betrachtet in Ruhe die Situation.
  • Wenn es grad nicht weitergeht, trinkt man gemeinsam einen indischen Tee, einen Chai. Süß und spicy zugleich. Systematisch Kaffeetrinken mit mehr oder weniger System gewissermaßen.

Liebe Westler, merket: Zeit in Indien ist zyklisch, nicht linear. Drum ist das Zeitverständnis ein anderes. Warten können, gehört zu einer der indischen Tugenden, von denen ich mir etwas abzugucken versucht habe. Allerdings: Wenn warten grad nicht geht, wird auch in Indien wieder geknubbelt.

Verneigen vor dem Gott des anderen

Verneigen vor dem Gott des Anderen - Foto von Lars Hahn
Verneigen vor dem Gott des Anderen – Foto von Lars Hahn

Überall im indischen Alltag finden sich Schreine, Götterfiguren, Räucherstäbchen, Plaketten von Göttern, Armbändchen, Amulette, Tempelchen und Tempel.

  • In der Riksha leuchten am Lenker die Lämpchen eines kleinen Shiva-Schreins.
  • Am Schalter der Bank steht ein Krishna.
  • Im Sprechzimmer der Ärztin steht ein Tirthankara, ein Wegbereiter der Jains, einer Religion die im Norden Indiens vorkommt.
  • Im Lebensmittelgeschäft klebt neben diversen Hindu-Gottheiten ein kleines Bildchen vom Jesus am Kreuz.
  • Der völlig überladene Tata-Laster zeigt neben den üblichen Bemalungen hintendrauf diverse indische Gottheiten, vorneweg den elefantenköpfigen sehr beliebten Ganesha, auch bekannt als Zerstörer der Hindernisse.
  • Man erzählt sich, dass man die Göttin des Reichtums Lakshmi nur für sich gewinnen kann, wenn man auch ihren Mann vereinnahmt.
  • Und man gratuliert dem Europäer wie selbstverständlich zum Geburtstag von Lord Jesus.

Inder lieben Spiritualität und praktizieren sie, wann und wo es grade geht. Religiösität wird in Indien offen gelebt und ist mitnichten Privatsache. So wird bei der Arbeit und im Business offen gezeigt, wer für die spirituelle Erbauung sorgt. Und: Man verneigt sich vor dem Gott des anderen. Wertschätzung und Achtung vor den Göttern sagte man selbst dem strammen Atheisten Jawaharlal Nehru nach, dem ersten Ministerpräsidenten Indiens und Vertrauten Gandhis.

Indien to Go: 7 Erfahrungen für den europäischen Alltag

Nach zwei Wochen intensiver Erfahrungen durfte ich Indien wieder verlassen (wir kommen wieder!). Zurück in Europa merke ich die Unterschiede: Durchgeplante, strukturierte Abläufe allenthalben, perfekte Organisation, Nüchternheit, Sachlichkeit prägen meinen deutschen Alltag. Dunkler ist es im nördlichen Winter auch. Und der Straßenverkehr ist aufgeräumt.

7 Erfahrungen bringe ich in den mitteleuropäischen Alltag mit:

  • Konzentriere Dich auf das Wesentliche! Was brauchst Du wirklich?
  • Bleibe im Fluss, habe Gelassenheit und Geduld.
  • Zeige Neugier und Interesse für die Denk- und Lebensweise Deines Gegenübers!
  • Verneige Dich vor dem Gott des anderen (selbst, falls Du keinen hast)!
  • Zeit ist zyklisch: Wenn etwas nicht klappt, ETWAS wird klappen!
  • Nimm, was sich ergibt und mach das Beste draus.
  • Und stets: Schaue unbedingt in alle Richtungen, bevor Du losgehst!

Der Autor: Lars Hahn ist der Entdecker von ‚Systematisch Kaffeetrinken‘. Als Geschäftsführer der „LVQ Weiterbildung gGmbH“ beschäftigt er sich mit Weiterbildung, Recruiting, Arbeitsmarktthemen, Karriereberatung und Social Media. Lars Hahn ist zu finden bei XINGGoogle+Twitter und in vielen anderen sozialen Netzwerken.

Bildnachweis: Alle Bilder von Lars Hahn

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